Einige Tage später


Sarah hatte ihre kleine Tochter aus dem Kindergarten geholt, war samt Kind einkaufen und nun froh das sie endlich Zuhause war. "Sasha bleib stehen!" rief sie der kleinen nach als diese bereits zum Aufzug rannte. Dieses Kind hatte eindeutig zuviel Energie! Seufzend öffnete Sasha ihr Postkasterl, nahm die Post raus und schleppte dann alle Einkäufe zum Aufzug welcher dank ihrer Tochter bereits da war. Eigentlich brauchte sich die junge Frau ihre Post gar nicht durchsehen denn was anderes als Rechnungen konnte es ohnehin nicht sein. 

In der Wohnung angekommen brachte sie die Tüten in die Küche während Sasha sich mal wieder vor den Fernseher setzte. Eigentlich durfte die kleine nur zwei Stunden pro Tag fernsehen. Eigentlich. Wieder seufzte die junge Mutter und sah sich ihre Post doch durch, Sie fand die typischen Rechnungen welche jeden Monat kamen und schleuderte diese samt Werbung auf den Tisch. Es war nicht so das sie kein Geld dafür hatte allerdings kam nun Weihnachten und daher musste sie auch Geld für Geschenke auf die Seite legen. Sarah rieb sich kurz übers Gesicht als sie den Briefumschlag auf dem Boden sah der ihr wohl runter gefallen war. Stirn runzelnd nahm sie ihn hoch und sah sich den Absender an. "Vereinigte Bühnen Wiens..." las sie leise vor und ihr Blick wurde noch verwirrter als ohnehin. Rasch öffnete sie den Umschlag und bekam große Augen als sie zwei Karten für 'Borchert Besinnlich' sah und dann auch noch bemerkte das es Plätze in der ersten Reihe waren. 

"Fuck fuck fuck!" fluchte sie leise und ging in der kleinen Küche auf und ab. Sie konnte unmöglich dorthin und schon gar nicht mit Sasha doch andererseits... Sarah konnte nicht leugnen das sich bei ihrem zusammentreffen mit ihm etwas in ihr geregt hatte. Was es war das wusste und wollte die junge Mutter nicht wissen denn sie durfte es ohnehin nicht zulassen. Einmal hatte er ihr Leben bereits auf den Kopf gestellt doch damals war sie jung und naiv gewesen nun war sie es aber nicht. 

Sarah nahm sich ihr Handy und rief Emma an. Sie bestellte sie zu sich mit den Worten "Es ist SEHR SEHR dringend!" und tatsächlich stand ihre beste Freundin eine viertelstunde später total fertig vor ihrer Tür. Die junge Frau ließ sie rein und schickte ihre Tochter in ihr Zimmer um mit Emma alleine reden zu können. 

Als Sasha in ihrem Zimmer war zeigte Sarah Emma die Karten und sah sie an. "Ich...will da nicht hin aber ich will es doch!" jammerte sie und ließ sich neben Emma auf's Sofa plumpsen. Diese nahm sich die Karten und grinste wie Sarah zu ihrem entsetzen feststellen musste. "Grins nicht so Emma!" fauchte sie daher woraufhin ihre beste Freundin einfach nur kicherte. "Tut mir leid aber ich finde das so...Musicallike...eure ganze Geschichte." gab sie zu und sah Sarah sanft an. "Dann gehen wird doch einfach dahin...es sind super Plätze und deine Eltern können sicher einen Abend lang wieder auf Sasha aufpassen." schlug Emma vor woraufhin Sarah das Gesicht verzog. "Wenn ich ihnen sage wohin ich gehe werden sie es sicher nicht tun." meinte sie nur und seufzte leise. Seit ihrer Schwangerschafft hasste ihr Vater Thomas und ihre Mutter mochte ihn auch nicht gerade da sie ihm die Schuld dafür gaben das Sarah ihr Studium abgebrochen hatte. Sie liebten ihr Enkelkind keine frage allerdings waren sie der Meinung das es ruhig hätte etwas später kommen können. "Na dann sag es ihnen nicht. Sag ihnen einfach wir machen einen Mädelsabend." meinte Emma dann nur und lehnte sich zurück. "Es ist doch lieb das er dir die Karten schenkt...und das ist ein Zeichen!" grinste sie während Sarah die Augen rollte. "Ach hör mir auf mit Zeichen Emma..." grummelte die junge Frau und ging in die Küche. Pff...von wegen Zeichen. Der Mann hatte eine Frau...da gab es keine Zeichen! Konnte es keine geben. 
 
Nach dem Sarah Sasha umgezogen und ins Bett gebracht hatte setzte sie sich zu Emma die bereits Kaffee gemacht hatte und strich sich durchs Haar. "Das ist so unglaublich gemein... nicht genug das er wieder in Wien ist nein er muss auch gleich neben mir mit seiner Familie wohnen." seufzte sie und nahm ihre Tasse in die Hände. "Ach mach dir da nichts draus...vielleicht bleibt er nicht lange...und es ist ja nicht 'Tanz der Vampire' sondern 'Borchert Besinnlich' weswegen er hier ist." sagte Emma tröstend und nahm einen großen Schluck ihre's Kaffees während Sarah erneut leise seufzte. "Ja aber das ändert doch nichts....er ist da." meinte die junge Frau leise und sah zur Tür die in's Kinderzimmer führte. "Wir sind die letzten zwei Jahre bestens ohne ihn ausgekommen...wenn er herausfinden würde das Sasha seine Tochter ist...es würde nur Probleme bringen." sagte Sarah und sah zu Emma. "Ich...bin sicher das sollte Thomas es herausfinden er sicher Kontakt zu ihr haben wollen würde...und das will ich nicht. Sie braucht ihn nicht....sie hat mich." Selbst in ihren eigenen Ohren klang das unglaublich egoistisch denn Sasha hatte ein recht darauf einen Vater zu haben denn sie wenigstens ab und zu sehen konnte und ja auch Thomas hatte ein recht darauf seine Tochter zu kennen wohingegen Sarah kein recht hatte das zu verhindern.

"Süße...ich versteh dich ja...aber ich bin sicher Sasha würde gerne ihren Vater kennen lernen und...nüchtern scheint Borchert auch kein schlechter Kerl zu sein...vielleicht würde es ja klappen." meinte Emma vorsichtig und sah zu ihrer besten Freundin die sie anfunkelte. "Achja und wie? Soll sie den Sommer über bei ihm verbringen und Weihnachten bei mir? Oder machen wir auf Patchworkfamily und feiern alle zusammen Weihnachten? Mit seiner Frau, seinem Sohn, seinen Eltern, ihren Eltern, meinen Eltern und Sasha? Nein danke." sagte sie sauer, stand auf und ging mit ihrer Tasse in die Küche. "Es war nur ein Vorschlag...es ist ohnehin deine Entscheidung." hörte Sarah Emma leise hinter sich sagen und sah in die Spüle in die Emma ihre Tasse stellte. "Ich muss jetzt auch los...Viktor und ich treffen uns noch zu einem Kaffee um zu besprechen was wir Mama und Papa zu Weihnachten kaufen." sagte sie, küsste Sarah auf die Wange und ging zur Haustür. "Aber denk nochmal darüber nacht." hörte Sarah sie sagen und dann das klicken des Schlosses.

Natürlich hatte Emma irgendwo recht doch die Angst Sasha an ihren Vater zu verlieren war einfach viel zu groß. Was sollte sie denn ohne ihre Tochter tun? Sasha war der derzeitige Mittelpunkt ihres Lebens und der einzige Mensch der sie wirklich brauchte. Und Sarah brauchte sie genauso.

Seufzend steckte sie das dreckige Geschier in den Geschierspüller und schaltete ihn an. Andererseits brauchte sie natürlich auch hilfe mit der kleinen. Ihre Eltern liebten Sasha natürlich doch nun wo sie erwachsen war wollten auch sie einiges erleben und reisen und das konnten sie schlecht wenn sie dauernd auf ihr Enkelkind aufpassen mussten.

Sarah schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben und tappste müde ins Bad. Sie brauchte eindeutig schlaf und das würde sie sich nun auch holen. Die junge Frau duschte und ging dann leise ins Kinderzimmer in dem auch ihr Bett war. Noch einmal sah sie nach Sasha, deckte sie wieder zu und legte sich schließlich auch ins Bett. Vielleicht würde das ihre neuen Kopfschmerzen im Keim ersticken noch bevor sie richtig da waren.
 
Sarah lebte mit Sasha im 23 Wiener Bezirk und hatte eine Wohnung bekommen die im sechsten Stock lag. Es war nicht besonders schlimm da es ohnehin einen Aufzug gab aber es war eben sehr hoch was wiederrum auch einen wunderschönen Blick über die Dächer Wien's bot. Auch die Gegend war ruhig und wie für ein Kind geschaffen. Direkt vor dem Wohnhaus gab es nämlich eine wunderschöne Grünlage die jetzt bedeckt von Schnee war und wo es nun nur so von Kindern wimmelte.

Sasha quängelte etwas und wand sich in Sarah's Armen woraufhin diese sie auf den Boden stellte und ihre Jacke zurecht zupfte. "Bleib von der Straße fern und geh nicht weit weg ich will dich von hier aus noch sehen können." sagte sie und Sasha nickte fleißig. Sarah wusste das Sasha so schnell wie möglich einfach nur zu ihren Freundinnen aus dem KiGa wollte und nur deswegen so fleißig nickte. Sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, richtete sich auf und sah Sasha zu wie sie kichernd durch den Schnee zu ihren Freundinnen watete.
Die Grünlage war Privatboden und gehörte den drei Wohnhäusern und dem Hotel welches neben Sarah's Wohnhaus stand daher war es sehr sicher. Das Hotel ließ nämlich immer wieder Securityleute umhergehen da ab und zu sich Prominente Gäste hierher verirrten. Die junge Frau schmunzelte als sie daran dachte was ihre beste Freundin bei ihrem ersten Besuch bei ihr gesagt hatte. 'Hier ist es ja schlimmer als in der US-Botschaft...die haben von mir eine unterschrieft und ein Foto verlangt!' hatte Emma empört gesagt woraufhin Sarah ihr kichernd erklärte warum die Sicherheitsleute das getan hatten. Sarah war durchaus froh über die Sicherheit die das Hotel ihnen bereitstellte. So brauchte sie sich einfach keine großen Sorgen machen da sie wusste das Sasha sicher aufwachsen konnte und sicher war.

"Sarah!" hörte sie eine ihr bekannte Stimme rufen die allerdings erschöpft klang. Die junge Frau sah auf und zu ihrer besten Freundin, runzelte die Stirn. Als diese schließlich von ihr stand, keuchend und schwer atmend stand sie auf und sah Emma an. "Emma...was ist den mit dir los? Ist was passiert?" fragte Sarah sofort besorgt und ließ kurz ihren Blick durch die gegend streichen bis sie Sasha endeckte. Dann sah sie wieder zu Emma die sich langsam beruhigt hatte. "Er...er ist wieder in der Stadt... ich habe gerade das Plakatt gesehen." sagte sie und Sarah runzelte etwas die Stirn. "Das kann doch nicht sein...zu Weihnachten?" fragte die junge Frau und als Emma nickte setzte sie sich wieder. "Okay...naja macht nichts.." meinte sie schließlich und versuchte so zu tun als sei es ihr egal. "Bist du nur deswegen hierher..gerannt?" schmunzelte Sarah und kicherte als Emma grinsend nickte und sich zu ihr setzte. "Naja...was willst du Sasha sagen wenn sie ihn mal trifft...oder eher was willst du ihm sagen wenn ihr ihn mal trifft? Er wird die ähnlichkeit sicher erkennen...es ist ja nicht zu übersehen..." sagte Emma und sah zu Sasha. "Ja das mag sein aber die wahrscheinlichkeit das wir ihn treffen wenn wir gar nicht in der nähe des Ronacher sind ist..." bevor sie allerdings zuende sprechen konnte hatte Emma sie unterbrochen. "Ist sehr groß da er in eurem Hotel hier lebt..."

Als Emma das sagte folgte Sarah ihrem Blick und tatsächlich da stand er. Mit Frau und Sohn. "Es gibt keinen Gott...." meinte Sarah nur düster und stand auf. Es ging ihr nicht darum das er eine Familie hatte sondern darum das er da war. Jetzt. "Sasha!" rief sie und winkte ihre Tochter zu sich. Sie hoffte das er sie und Sasha nicht bemerkte denn das letzte was sie wollte war ihm zu erklären warum sie ihm seine Tochter vorenthalten hatte. Als Sasha allerdings nicht reagierte und stattdessen weiterhin mit ihren Freundinnen spielte ging Sarah zu ihr. "Sasha! Ich habe dich gerufen!" sagte sie streng und sah ihre Tochter an. Sasha sah zu ihr hoch und spielte etwas mit dem Schnee. Als Sarah bereits sagen wollte das sie nun reingehen wurde das kleine Mädchen am Kopf von einem Schneeball getroffen und brach in Tränen aus. Sarah sah sich um bereit mit dem Elternteil zu streiten das nicht im stande war auf sein Kind aufzupassen doch als sie sah wessens Sohn den Ball geworfen hatte und wer nun zu ihnen eilte nahm sie Sasha hoch, wischte ihr den Schnee von der Wange und redete tröstend und sanft auf sie ein.

"Ist alles in Ordnung?" hörte sie eine besorgte Stimme und drehte sich zu dem Mann um dem sie gehörte. "Aber ja...sie hat sich wahrscheinlich nur erschreckt." meinte Sarah und lächelte ihn höflich an. "Tut mir leid.." sagte der junge kleinlaut und sah zu Sasha die sich immernoch schluchzend das Ohr hielt. "Ich habe dir mehrmals gesagt das du vorsichtig sein musst wenn Kleinkinder da sind Joshua..." tadelte Thomas ihn und sah von seinem Sohn zu Sarah hoch. "Mir tut es auch leid..." lächelte er und Sarah nickte nur. "Wie gesagt...sie hat sich wahrscheinlich mehr erschreckt als das es weh getan hat..." meinte die junge Frau und verfluchte Gott und die Welt als Thomas seinen Sohn weg schickte und sie Stirnrunzelnd ansah. "Sie kommen mir sehr bekannt vor...kennen wir uns vielleicht?" fragte er und Sarah schüttelte rasch den Kopf. "Ich...denke nicht. Wir müssen nun auch gehen. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend." sagte sie und sah kurz zu Sasha die ihn ansah und ihm kurz winkte bevor sie mit ihrer Tochter im Arm zu Emma eilte. "Los gehen wir rein." meinte Sarah leise und ging mit ihrer besten Freundin in ihre Wohnung hoch.
 
Die junge Frau sah aus dem Fenster über die beleuchteten Dächer Wien's und lächelte zärtlich. Das erste mal seit vielen Jahren war Wien zu Weihnachten wieder mit einer schönen, weißen Decke aus Schnee bedeckt und jedermann genoß es. Kinder spielten im Schnee, junge Paare machten abendliche Spaziergänge, die Eislaufplätze und Einkaufsstraßen waren überfühlt, Weihnachtsbäume wurden verkauft und gekauft...man sah es deutlich die Weihnachtszeit stand ganz dicht vor der Tür und alle freuten sich.

Sarah mochte Weihnachten und sie dankte seit zwei Jahren jedes mal Gott für das wunderbare Geschenk das er ihr an dem einen Abend vor zwei Jahren geschenkt hatte. "Mama, Mama, Mama raus in den Schnee!" hörte sie die aufgeregte und drängende Stimme ihrer kleinen Tochter. Lächelnd sah sie zu Sasha und nahm sie auf ihren Schoß. "Es ist schon dunkel Sasha und du musst bald ins Bett..." erklärte Sarah sanft und strich ihrer Tochter eine der brünetten Strähnen die sie ganz klar von ihrem Vater geerbt hatte aus dem kleinem Gesicht. Die Haare waren allerdings nicht das einzige das Sasha von ihrem Vater hatte denn auch die hellen, graublauen Augen hatte die kleine von ihrem Dad. Nur zu gut erinnerte sich Sarah an dieses Paar Augen bei denen sie das Gefühl hatte sie könnten tief in sie sehen.

"Aber Schnee!" quängelte Sasha und sah ihre Mutter mit zitternder Unterlippe an. Diese seufzte und stellte sie wieder auf dem Boden ab. "Na gut...aber nur ganz kurz!" betonte Sarah und folgte ihrer Tochter nachdem diese ins Kinderzimmer gelaufen war. Sarah hatte nach Sasha's Geburt ihr Studium abgebrochen um sich um ihre Tochter kümmern zu können. Es stellte sich heraus das man als zweiundzwanzig Jährige, Schwangere Stundentin ohne Berufserfahrung nur schwer einen guten Job bekam daher hatte Sarah eine Stelle als Teilzeitkraft bei Billa angenommen. Es war nicht der beste Job aber mit ihm und etwas Hilfe von ihren Eltern hielt sie ihre Tochter und sich über Wasser.

Natürlich hätte sie Unterhalt einklagen können denn sie wusste wer Sasha's Vater war und das er durchaus genug Geld hatte allerdings hatte sie das nicht gewollt. Sarah war sich ganz sicher das Thomas sich kaum an die Nacht erinnern konnte. Wie denn auch immerhin war er beinahe sturzbetrunken gewesen. 

Sarah hatte damals als einzige die Chance bekommen bei den Masken für die Musicaldarsteller von "Tanz der Vampire" zu helfen und verbrachte so den ganzen Abend hinter der Bühne. Ihr damalige Mentorin hatte die Aufgabe sich um die Maske des Grafen zu kümmern und Sarah hatte helfen dürfen. Natürlich war es aufregend gewesen denn immerhin Studierte sie das eben weil es ihr gefiel doch aufregender war für sie der Mann der hinter der Maske des Grafen's gewesen war. Bis dato hatte Sarah nicht viel über Thomas Borchert gewusst und hatte nur ab und zu von ihm gehört. An dem Abend allerdings hatte sie ihn besser kennen gelernt als sie es je für möglich gehalten hätte. 

"Fertig!" hörte sie Sasha rufen und wurde aus ihren Gedanken gerissen. Lächelnd zog auch sie sich ihre Jacke an und setzte ihrer Tochter eine Kappe auf. "Sehr brav..." lobte sie Sasha, nahm sie auf den Arm und verließ mit ihr die kleine Wohnung.